Innovationen verbinden sich: KI von zunehmender Bedeutung für die Edelstahlindustrie

Kristiina Tiilas, Head of Digital Platform, Outokumpu  

Künstliche Intelligenz und Edelstahl haben auf den ersten Blick nicht viele Gemeinsamkeiten, auf den zweiten jedoch schon etwas mehr. Edelstahl ist eine jüngere Technologie – und KI eine ältere – als die meisten von uns vermuten würden.  

Edelstahl wird oft für ein relativ simples Material gehalten, ist jedoch – ähnlich wie KI – ein komplexes Präzisionsprodukt, das ständiger Innovation unterliegt. Beide haben unzählige Anwendungsfelder rund um den Globus und sind grenz- und kulturübergreifend so selbstverständlich im Alltag präsent, dass wir sie kaum bemerken. Und beide werden künftig eine größere Rolle spielen als je zuvor.  


Für einen Großteil der Fachleute unseres Industriezweigs ist der Einsatz von KI in der Edelstahlproduktion nichts Neues: unter anderem durch vorbeugende Wartung und Vermeidung von Maschinendefekten trägt sie seit Jahren erheblich zur Mehrwertschöpfung bei. Outokumpu nutzt zudem diverse Maschinenlernanwendungen für Zeitreihen- und Streaming-Analysen. Beispielsweise ermöglicht KI die Optimierung der Schmelzzeiten in unseren Lichtbogenöfen. Durch sie konnten wir die Schmelzdauer um 4 % senken und die Ofenkapazität um 17 % erhöhen. Durch die Verbesserungen haben wir den CO2-Ausstoß um 1736 Tonnen reduziert. Auch andere Arten von KI spielen eine wichtige Rolle, beispielsweise Maschinensicht. Der nächste bahnbrechende Paradigmenwechsel ist jedoch von der generativen KI zu erwarten.   

So könnte das lückenlos nachhaltige Edelstahlwerk der Zukunft aussehen (Bild mithilfe von Mid Journey AI generiert) 
 
 

GKI: Neue Möglichkeiten, neue Herausforderungen

Generative KI, nachfolgend GKI, produziert neue Daten und Inhalte, anstatt vorhandene zu verarbeiten. Unter anderem ist sie in der Lage, Text, Bilder, Ton, Video, 3D-Modelle, synthetische Datensätze, natürliche Sprache und Quellcode zu generieren. Das schiere Ausmaß ihrer Fähigkeiten – sowie der daraus resultierenden Geschäftschancen und potenziellen Produkte – macht es derzeit unmöglich, Voraussagen über ihre nachhaltigsten Effekte, deren Zeitpunkt oder die betroffenen Lebensbereiche zu treffen. 

Dies gilt für die Gesellschaft als Ganzes ebenso wie für individuelle Organisationen. Beispielsweise ist Outokumpu als Edelstahlproduzent nicht nur für die Lieferung erstklassiger Produkte verantwortlich, sondern auch für größtmögliche Nachhaltigkeit, tadellose Geschäftsführung, kontinuierlichen Austausch mit Stakeholdern und die Wahrung eines stabilen Wettbewerbsvorsprungs – alles Dinge, bei denen GKI in zum Teil noch ungeahnter Weise helfen kann. 

Schon jetzt bietet künstliche Intelligenz sich nicht nur zur Optimierung der Produktion an, sondern auch z. B. im Hinblick auf Arbeitssicherheit, Schulungen und berufliche Weiterentwicklung, Stellenbesetzung und Wohlbefinden am Arbeitsplatz, Marketing, Kundenservice und Kommunikation. Zugleich müssen wir die ethischen und legalen Aspekte der Nutzung von GKI bedenken und mögliche Änderungen industrieller und regulatorischer Normen im Auge behalten. 

Die Herausforderungen sind bedeutend, die Chancen jedoch gewaltig – sofern wir sie erkennen und nutzen. Die Frage ist, wie?

Breiterer Trichter, offenere Kultur

Innovation funktioniert ähnlich wie eine Siebanlage: die in den imaginären Trichter fallenden Ideen werden in einem Filtersystem gereinigt und Unbrauchbares ausgeschieden, bis am anderen Ende eine sinnvolle Neuerung herauskommt. Mit Hilfe von GKI können innovative Ideen jedoch künftig aus der gesamten Organisation gefiltert werden, anstatt alleinige Aufgabe eines speziellen Innovationsteams zu sein. Anders ausgedrückt: der Trichter der Siebanlage kann so weit sein, wie das Unternehmen es wünscht. 

Es überrascht nicht, dass dies zu Änderungen in der Organisationskultur führen kann. Die Evolution der Technologie führt zu neuen Verhaltensweisen, Erwartungen und Ängsten. Erfolgreiche Implementierung neuer Werkzeuge setzt ein Umfeld voraus, in dem Experimente und unterschiedliche Beiträge Anerkennung finden, neue Prozesse verständlich erklärt werden und persönliches Engagement mit einem Gefühl der Teilhabe belohnt wird.

Die obigen Voraussetzungen klingen vielleicht typischer für ein unkonventionelles Startup-Unternehmen als einen etablierten Edelstahlkonzern, aber sie sind das, was KI – und erst recht GKI – von uns verlangt. Dies ist mit Anstrengungen verbunden, aber auch Traditionsunternehmen sind zu Agilität fähig. Und im Zeitalter von GKI ist diese Agilität nicht nur eine Option, sondern eine Notwendigkeit. 

Zukunftsvisionen

Es lässt sich nur schwer voraussehen, welche Auswirkungen GKI und andere Formen von KI künftig auf Unternehmen haben werden, auch in unserem Sektor. Derzeitige Indikatoren versprechen eine mögliche Erhöhung der Produktivität auf allen Geschäftsebenen. Viele manuelle Tätigkeiten lassen sich automatisieren, was Effizienz und Zuverlässigkeit erhöht. Vermutlich ist dies jedoch erst der Anfang. 

KI-generierte Vision für den künftigen Look des Outokumpu-Werks im finnischen Tornio (Bild mithilfe von Mid Journey AI generiert) 

 

KI dürfte auch die Produktionsoptimierung anhand kontinuierlicher Echtzeitanalysen einer Vielzahl von Faktoren ermöglichen, darunter Rohmaterialpreise, Betriebsprozesse und Schadstoffausstoß. Gegen fundamentale Geschäftsprobleme kann auch KI nichts ausrichten, aber sofern Daten, operative Tätigkeit und Strategie in guter Verfassung sind, hilft sie bei deren weiterer Verbesserung.  

Darüber hinaus lässt sich KI fast unbegrenzt zu Forschungs- und Entwicklungszwecken einsetzen. Künftig unterstützt sie uns vielleicht bei der Entwicklung und Kombination neuer Materialien, der Senkung unserer CO2-Emissionen oder der Umwälzung unserer Prozesse. Im Zuge dieser Möglichkeiten müssen wir uns jedoch des eigenen Fußabdrucks von KI bewusst sein und den verantwortlichen Umgang mit ihr sicherstellen.  

Unterm Strich verbleiben bei der Abwägung der mit GKI verbundenen Herausforderungen und Chancen mehr unbekannte als bekannte Variablen. Für den Umgang mit ihnen gibt es keinen vorgezeichneten Weg. Es ist jedoch hilfreich, sich daran zu erinnern, dass die treibende Kraft in jeder Organisation ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind, und dass unabhängig von der zugrundeliegenden Technologie der Mensch im Mittelpunkt jeder digitalen Transformation stehen muss. Von der Ethik zur Anwendung: welche Ergebnisse KI uns liefert, hängt unmittelbar von unserer Fähigkeit ab, eine Kultur zu schaffen, in der ihre Nutzung gelingt.  

Kurz gesagt setzt der wirksame Einsatz GKI einige grundlegende Dinge voraus: einen breiten Innovationstrichter, einen strategischen Ansatz und Bereitschaft zur erforderlichen kulturellen Umorientierung. Wenn wir hierfür offen sind, gehört uns die Zukunft des Edelstahls mit allen ihren Visionen – gemeinsam und für immer.